101 Jahre Groß – Berlin
„Berlin, Berlin, Du bist verrückt mein Kind, Du musst mach Berlin, nach Berlin, wo die Verrückten sind, da gehörst Du hin!“ So lautet eine gebräuchliche Redensart um auszudrücken, dass jemand einen „Vogel“ hat.
Die nach der Industrialisierung rasant wachsende Region Berlin bedurfte zu Beginn des 20. Jahrhunderts dringend einer Koordination des Verkehrsnetzes, der Bauplanung und der Freiflächen. Handel, Industrie und Handwerk beklagten sich über ein ausuferndes Kompetenzgerangel der vielen Behörden.
Seit Beginn der industriellen Revolution, besonders aber während der Industrialisierung nach der Gründung des Deutschen Reichs im Jahr 1871 wies Berlin ein immer stärkeres Bevölkerungswachstum auf.
Freie Flächen der Hauptstadt Preußens und des Deutschen Reichs, die an Nachbargemeinden grenzten und bisher überwiegend landwirtschaftlich genutzt wurden, wurden zunehmend für Wohn- und Industriezwecke benötigt.
Durch den enormen Zuzug von Arbeitskräften wurden ständig mehr Flächen für Wohnungen, Gewerbe und Industrie benötigt. Der Wert der Grundstücke stieg mit der Nachfrage fast ins Unermessliche. Die daraus resultierenden Probleme waren den heutigen sehr ähnlich.
Wie das Ruhrgebiet war auch Berlin samt dem Umland ein industrielles Zentrum Deutschlands. Das Gesetz über die Einheitsgemeinde von Groß – Berlin war keineswegs verrückt, sondern es war die Grundlage für eine prosperierende Hauptstadt bis in die heutige Zeit.
Mit Wirkung vom 1. Oktober 1920 wurden insgesamt 8 Städte, 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirke unter erheblichen Geburtswehen zusammengeschlossen. Sie haben sich für ihre Zustimmung eine weitgehende Selbstverwaltung ausbedungen, zum Beispiel in der Entscheidungskompetenz über die Schul- und Bildungspolitik. Die vormals selbständigen Städte waren die späteren Groß-Berliner Bezirke Charlottenburg, Köpenick, Lichtenberg, Neukölln, Schöneberg, Spandau, Wilmersdorf und die Stadt Berlin.
Seit 1871 war Berlin die Hauptstadt des von Otto von Bismarck gegründeten Deutschen Reichs. Bereits 1920 hatte Berlin 3,8 Mio. Einwohner – genauso viele wie heute. Nur London (7,3 Mio.) und New York (5,6 Mio.) hatten 1920 mehr Einwohner als Berlin.
Auffällig ist die Größe und ehemalige Pracht des Rathauses Schöneberg und des Rathauses Friedenau. Letzteres war lediglich für einen Ortsteil von Schöneberg zuständig. Die sogenannten „Millionenbauern“ hatten durch den Verkauf ihrer Ländereien in der Schöneberger Dorfaue beträchtliche Summen vereinnahmt. Damit konnten sie den Prachtbau der Gemeinde finanzieren.
Durch die Bezirksgebietsreform vom 1. Januar 2001 hatte der heutige Bezirk Tempelhof – Schöneberg plötzlich drei Rathäuser und die entsprechenden Unterhaltungskosten an der Backe. Wegen des enorm großen Instandhaltungsrückstaus hat das Bezirksamt das Rathaus Friedenau 2011 an den Senat von Berlin abgegeben. Auf die dort vorhandenen vielfältigen Büroräume wurde damit verzichtet.
Dort sollte die Berliner Steuerfahndung einziehen. Stattdessen wurde es für teures Geld zu einer Flüchtlingsunterkunft umgebaut. Das Bezirksamt von Tempelhof – Schöneberg sucht ständig neue Büroflächen, um zusätzliche Mitarbeiter unterbringen zu können. In der Rathaus- und in der Großbeerenstrasse wurde ein ganzes Gebäude und in Alt – Mariendorf mehrere Etagen für die Bedürfnisse des Bezirksamtes umgebaut.
Weitere Büroflächen an diversen Standorten in erheblicher Größenordnung wurden neu angemietet. Allein Tempelhof – Schöneberg hat 2.250 Mitarbeiter – mit wachsender Tendenz.
Diese Fehlentscheidung der Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler kann man auch als „verrückt“ bezeichnen. Sie ist bereits in Berlin. Sie hat ihren Dienstsitz im Rathaus Schöneberg.
Reinhard Frede
Rathaus Friedenau